Rezension aus den Dresdner neuesten Nachrichten vom 13.01.2011  
  "Mehr Netto als Brutto"     - Duale Satire beleuchtet das Wunderwort "Wachstum"  
 
 
Es ist eine geradezu herzergreifende Mahnung, die das gesamte neue Programm des Dresdner Kabarett-Duos Duale Satire dominiert. Immer und immer wieder wird darin nämlich das Wunderwort Wachstum beschworen. Das W. als behütens- werte und allein seeligmachende, aber noch ausgesprochen zarte Pflanze muss besonders gehegt und gepflegt werden. Ansonsten ist nämlich alles aus: der Staat, die Gesellschaft & die öffentliche Ordnung sowieso. Ohne Wachstum keine Zukunft, meinen die Herren Uli Eißner und Arnd Stephan und plädieren deshalb gleich für "Mehr Netto als Brutto". Und bei ihnen ist das Wachstum auf der Bühne leibhaftig und tatsächlich sichtbar, denn es manifestiert sich in einer grünen aufblasbaren Plasteagave. So fragil, wie die jeweilige Luftzufuhr die Pflanze entweder gesunden oder zusammenfallen lässt, so fragil erscheint der so gewichtige Begriff Wachstum wohl auch in der täglichen Realität dieser Republik.
Es ist das bereits 10. Programm der 2 Kabarett spielenden Professoren, das in der Herkuleskeule seine Premiere erlebte. Und es ernährt sich von durchweg klugen Texten, sowohl innerhalb der Songs als auch in den Sketchen. Dabei gestaltete sich der Start in den Abend eher etwas zäh. Denn er stellte die längst abgehakte Abfrackprämie
 
nochmals in den Fokus. Die "notgeschlachteten Autos" (O-Ton: Duale Satire) sind durch die nachfolgenden Torbulenzen längst in Vergessen- heit geraten. Die Banken- und Wirtschaftskrise verdrängte alles andere, erschütterte die Gesell- schaft und tut es bekanntlich noch immer. Allerdings führte diese Szene auch zum wunderbaren Kernsatz des Programms: "Eine solide Basis ist das beste Fundament".
Dem ist eigentlich kaum etwas hinzuzufügen. Nur so viel, als das die Begriffe Aufschwung und Wachstum somit noch austauschbarer werden. Die Duale Satire leuchtet zwar mit kräftige Scheinwerfer hinter diese Begriffe, kann aber keinen Unterschied feststellen. Es sei denn in der so vielseitig ausgeprägten kriminellen Energie mancher Bankmanager und Politiker gleicher- maßen. So heißt es dann in einem Song, dessen Melodie aus den Zeiten der NDW stammt, auch folgerichtig "Immer mehr, immer mehr, immer mehr - sie saufen uns das Aufschwungglas leer ..."
Manchmal aber greifen Eißner und Stephan ein wenig zu weit in die bunte Geschichte der Bundesrepublik zurück. Z.B. wenn es um das Erbe des einstigen SPD-Arbeitsministers Walter Riester geht. Das Gesicht hinter dem Begriff ist zwar längst vergessen, doch diese Rentenart trägt
 
seinen Namen. Der Rückgriff lohnte sich aber für den Satz: "Riester hat Blüm zu Ende gedacht!" Wie wahr!
Kaum ein Thema wird in dem neuen Programm ausgespart. Weder Wikileaks noch Bundeswehr, weder Altersarmut noch das Glühbirnenverbot. Letzteres mündet in einem schönem Erin- nerungssong an eine andere unvergessene (Politiker-)Birne. Mitunter uferte die Themenvielfalt zu sehr aus . Der Zuschauer hatte es ziemlich schwer, im vorgegebenem Tempo umzuschalten. Das für die sprichwörtliche Gier der Banker und Wirtschaftsbosse ausgerechnet jene einprägsame Zeile "Sind so kleine Hände" aus dem wohl bekanntesten Bettina Wegner-Song in "Sind so lange Finger" umgedichtet wurde, wird die Liedermacherin sicher weniger freuen als das Publikum des Premierenabends. Doch mit dem überaus treffenden Song auf Thilo Sarrazin wäre auch sie mit der Dualen Satire wieder versöhnt. Der "Türkenschreck aus Westberlin" kommt in der Melodie des 70er Jahre-Schlagers "Rasputin" von Dschingis Khan daher, und gespielt wird Sarrazin als stumme Rolle vom meist unsichtbaren 3. Mann der Dualen Satire, dem Techniker Bernd Kulow.
 
Wolfgang Zimmermann
 
 
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