Es ist eine geradezu herzergreifende Mahnung,
die das gesamte neue Programm des Dresdner Kabarett-Duos Duale Satire dominiert. Immer
und immer wieder wird darin nämlich das Wunderwort Wachstum beschworen. Das
W. als behütens- werte und allein seeligmachende, aber noch ausgesprochen
zarte Pflanze muss besonders gehegt und gepflegt werden.
Ansonsten ist nämlich alles aus: der Staat, die Gesellschaft & die öffentliche
Ordnung sowieso. Ohne Wachstum keine Zukunft, meinen die Herren Uli Eißner und Arnd
Stephan und plädieren deshalb gleich für
"Mehr Netto als Brutto". Und bei ihnen ist das Wachstum auf der Bühne leibhaftig
und tatsächlich sichtbar, denn es manifestiert sich in einer grünen aufblasbaren
Plasteagave. So fragil, wie die jeweilige Luftzufuhr die Pflanze entweder gesunden oder
zusammenfallen lässt, so fragil erscheint der so gewichtige Begriff Wachstum wohl
auch in der täglichen Realität dieser Republik.
Es ist das bereits 10. Programm der 2 Kabarett spielenden Professoren,
das in der Herkuleskeule seine Premiere erlebte. Und es ernährt sich von durchweg
klugen Texten, sowohl innerhalb der Songs als auch in den Sketchen. Dabei gestaltete
sich der Start in den Abend eher etwas zäh. Denn er stellte die längst
abgehakte Abfrackprämie |
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nochmals in den Fokus. Die "notgeschlachteten Autos"
(O-Ton: Duale Satire) sind durch die nachfolgenden Torbulenzen
längst in Vergessen- heit geraten. Die Banken- und Wirtschaftskrise
verdrängte alles andere, erschütterte die Gesell- schaft und tut
es bekanntlich noch immer. Allerdings führte diese Szene auch zum
wunderbaren Kernsatz des Programms: "Eine solide Basis ist das beste Fundament".
Dem ist eigentlich kaum etwas hinzuzufügen. Nur so viel, als das die Begriffe
Aufschwung und Wachstum somit noch austauschbarer werden. Die Duale Satire leuchtet
zwar mit kräftige Scheinwerfer hinter diese Begriffe, kann aber keinen
Unterschied feststellen. Es sei denn in der so vielseitig ausgeprägten
kriminellen Energie mancher Bankmanager und Politiker gleicher- maßen. So heißt
es dann in einem Song, dessen Melodie aus den Zeiten der NDW stammt, auch folgerichtig
"Immer mehr, immer mehr, immer mehr - sie saufen uns das Aufschwungglas leer ..."
Manchmal aber greifen Eißner und Stephan ein wenig zu weit in die
bunte Geschichte der Bundesrepublik zurück. Z.B. wenn es um das Erbe des
einstigen SPD-Arbeitsministers Walter Riester geht. Das Gesicht hinter dem
Begriff ist zwar längst vergessen, doch diese Rentenart trägt |
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seinen Namen.
Der Rückgriff lohnte sich aber für den Satz:
"Riester hat Blüm zu Ende gedacht!" Wie wahr!
Kaum ein Thema wird in dem neuen Programm ausgespart.
Weder Wikileaks noch Bundeswehr, weder Altersarmut noch das Glühbirnenverbot.
Letzteres mündet in einem schönem Erin- nerungssong an eine andere unvergessene
(Politiker-)Birne. Mitunter uferte die Themenvielfalt zu sehr aus . Der Zuschauer
hatte es ziemlich schwer, im vorgegebenem Tempo umzuschalten.
Das für die sprichwörtliche Gier der Banker und Wirtschaftsbosse ausgerechnet
jene einprägsame Zeile "Sind so kleine Hände" aus dem wohl bekanntesten
Bettina Wegner-Song in "Sind so lange Finger" umgedichtet wurde, wird die
Liedermacherin sicher weniger freuen als das Publikum des Premierenabends.
Doch mit dem überaus treffenden Song auf Thilo Sarrazin wäre auch sie mit
der Dualen Satire wieder versöhnt. Der "Türkenschreck aus Westberlin" kommt
in der Melodie des 70er Jahre-Schlagers "Rasputin" von Dschingis Khan daher,
und gespielt wird Sarrazin als stumme Rolle vom meist unsichtbaren 3. Mann der Dualen
Satire, dem Techniker Bernd Kulow.
Wolfgang Zimmermann |